3 MINUTEN MIT ZBINDEN
Nächtliche Szene, angetrieben von Eifersucht und der Angst, der andere könne Züs Bünzlin zur Frau bekommen und das Geschäft übernehmen.
Jobst und Fridolin rennen um ihr Glück. Das Volk ergreift die Gelegenheit, sich am Spektakel zu freuen. Ein Knabe springt auf das Gefährt von Jobst. In der Angst, dass Fridolin das Rennen macht, stellt ihm Jobst das Bein. Im Streit kommen beide gleichzeitig über die Ortsgrenze, sind aber so ineinander verkrallt, dass sie am anderen Ende wieder aus dem Städtchen hinauskollern. Das gibt Dietrich die Gelegenheit, ruhig mit Züs anzukommen. Sie gewinnen und heiraten.
Früheste Spur in Zbindens Werk:
eine Lehrlingsarbeit, 12 Holzschnitte zu Gottfried Kellers „Die drei gerechten Kammacher“
Emil Zbinden erinnert sich:
Ich hatte das Glück, in Albert Ruppli
einen ausgezeichneten und charaktervollen Lehrmeister zu haben. Ruppli kam aus Zürich, verkehrte
im Kreis von revolutionären Köpfen
wie Brup[p]bacher und Itschner.
Ruppli stärkte unser Selbstbewusstsein
und lebte uns vor, uns in der Berufsarbeit
nicht mit dem Billigen und Routinierten zufrieden zu geben. Ruppli machte uns mit der Welt der Arbeiterbewegung vertraut.
Auf Rupplis Aufforderung hin setzten und druckten
mein Lehrkollege Emil Jenzer und ich
Gottfried Kellers Novelle «Die drei gerechten Kammacher». Dieses Büchlein stellten wir von A bis Z selbst her.
Die Illustrationen schnitt ich in Laubsägeholz.
«Die drei gerechten Kammacher»
erhielten einen Preis der Pro Juventute
und brachten uns die Aufforderung ein,
beim Regierungsrat Joss vorzusprechen.
Er äusserte sich sehr wohlwollend über unsere Arbeit
und versprach, uns einen Auslandaufenthalt zu ermöglichen. Mit einem Stipendium im heutigen Sinn
hatte diese Förderungsmassnahme nichts zu tun.
Wir bekamen keinen Rappen,
die einzige Leistung des Kantons bestand darin,
mir eine - übrigens schlechte - Stelle in Berlin zu sichern.
Emil Zbinden in:
Emil Zbinden. Zeichnungen, Druckgrafik.Herausgegeben von der Stiftung «Kunst auf dem Lande», Langnau o.J. (ca. 1986), S. 12
Zusammenfassung der Geschichte
„Die drei gerechten Kammacher“ ist eine Novelle von Gottfried Keller. Sie gehört zur Sammlung „Die Leute von Seldwyla“, 1856 erstmals publiziert. Die Geschichte handelt von drei deutschen Handwerksgesellen, die beim gleichen Seldwyler Meister arbeiten: Jobst, Fridolin und Dietrich. Sie werden aber zu erbitterten Rivalen: Jeder möchte das Geschäft übernehmen, und jeder möchte zudem dieselbe vermögende Züs Bünzlin heiraten.
In einem entscheidenden Wettlauf verlieren Jobst und Fridolin jämmerlich, aber auch der siegreiche Dietrich wird mit Züs nicht glücklich.
Erstaunlich, welch anspruchsvollen Text die beiden Lehrlinge
Emil Jenzer und Emil Zbinden zu bewältigen hatten.
Hier der Ausschnitt aus dem Original Kellers,
nach dem der zweite der oben vorgestellten Holzschnitte geschaffen wurde:
Aber dies war ein strenges Leben
für die armen Kammacher;
so kühl sie von Gemüt waren, gab es doch,
seit einmal ein Weib im Spiele,
ganz ungewohnte Erregungen der Eifersucht,
der Besorgnis, der Furcht und der Hoffnung;
sie rieben sich in Arbeit und Sparsamkeit beinahe auf und magerten sichtlich ab;
sie wurden schwermütig, und während sie
vor den Leuten und besonders bei Züs
sich der friedlichsten Beredsamkeit beflissen,
sprachen sie, wenn sie zusammen
bei der Arbeit oder in ihrer Schlafkammer sassen,
kaum ein Wort miteinander und legten sich seufzend
in ihr gemeinschaftliches Bett, noch immer
so still und verträglich wie drei Bleistifte.
Ein und derselbe Traum schwebte allnächtlich
über dem Kleeblatt, bis er einst so lebendig wurde,
dass Jobst an der Wand sich herumwarf
und den Dietrich anstiess;
Dietrich fuhr zurück und stiess den Fridolin,
und nun brach in den schlummertrunkenen Gesellen
ein wilder Groll aus
und in dem Bette der schreckbarste Kampf,
indem sie während drei Minuten sich so heftig
mit den Füssen stiessen, traten und ausschlugen,
dass alle sechs Beine sich ineinander verwickelten
und der ganze Knäuel unter furchtbarem Geschrei
aus dem Bette purzelte.
Sie glaubten, völlig erwachend,
der Teufel wollte sie holen
oder es seien Räuber in die Kammer gebrochen;
sie sprangen schreiend auf,
Jobst stellte sich auf seinen Stein,
Fridolin eiligst auf seinen und Dietrich auf denjenigen,
unter welchem sich bereits auch seine kleine Ersparnis
angesetzt hatte,
und indem sie so in einem Dreieck standen, zitterten
und mit den Armen vor sich hin in die Luft schlugen,
schrien sie Zeter Mordio und riefen:
Geh fort! Geh fort!
bis der erschreckte Meister in die Kammer drang
und die tollen Gesellen beruhigte.
In: Gottfried Keller. Die drei gerechten Kammacher. Husum
(ohne Jahr) Hamburger Lesehefte Verlag, 47. Heft, S. 16f.