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3 MINUTEN MIT ZBINDEN

C.A. Loosli,  „Üse Drätti“

Kindheit

Kindheit

Knecht

Heuet im Welschland

Heirat mit Mareili

Elf Kinder

Bierfuhrmann

Mein Lieber Fränkel, gestern hatte ich u.a. auch den Besuch eines mir befreundeten Graphikers, des Illustrators der Gotthelfwerke, die in der Büchergilde erscheinen. Ein aufgeschlossener, warmherziger, kluger Mann, dem ich mit meinen Gotthelfkenntnissen ab und zu dienen kann. Er verweilte über zwei Stunden bei mir und beklagte sich bitter über die Kulturwurstigkeit, nicht bloss unserer Regierungen, sondern über die unseres Volkes überhaupt. (…)

So schreibt C.A. Loosli in einem Brief vom 9. September 1952 an seinen Freund, den Literaturwissenschaftler Jonas Fränkel (1879-1965). (A, S. 462)

Der 75-jährige Loosli und der 44-jährige Zbinden werden neben der “Kulturwurstigkeit“ und „Gotthelf“ auch andere Gesprächsthemen gehabt haben, zum Beispiel „Ferdinand Hodler“ oder ganz konkret die Wiederauflage von Looslis Mundart-Büchern, so „Üse Drätti“.

 

Zbindens Beitrag zu diesem Buch ist keine Kleinigkeit: 48 Holzstiche insgesamt, davon 20 Porträts, eines auf der Titelseite und je eines zu Beginn eines jeden Kapitels und 28 Holzstiche innerhalb der Kapitel, davon einer doppelseitig

 

Autor und Illustrator teilen das gleiche das Ziel, das Loosli in den „Vorbemerkungen“ so formuliert:

(…) jene emmentalischen Volksschichten, 

welchen die zünftige Literatur aus dem Wege geht, 

nämlich die der Durchschnittsleute, besonders die der kleinen, 

gesellschaftlich nicht übermäßig hochstehenden, 

wenig beachteten, daher meist übersehenen, 

die der Klasse der gesellschaftlich Enterbten zugehören, 

zu schildern. (B, S. 5)

 

Loosli erzählt das Leben des „Schilt-Hanes“ in 19 Kapiteln, meistens aus der Sicht des „Drätti“, des Vaters, seltener aus der Sicht der Nachkommen. Nach dem Rückblick auf die Eltern wird der Leser/die Leserin von Lebensstation zu Lebensstation geführt: Kindheit, Schule, Arbeit als Knecht, Militär, Heuet in der Romandie, Heirat mit Mareili, Berufswechsel zum Bierfuhrmann, letzte „Chindbetti“ beim elften Kind, Grossvater, Alter, Tod. Hartes und Heiteres wird in „unverwüstlicher Lebendigkeit“ (Fränkel) erzählt. Davon zeugen die drei Textproben.

Seine „Bärndütschbücher“ waren Loosli aber nicht mehr wichtig:

(…) Ich habe dieser Tage mühsam die Erstkorrekturen zur 2. Auflage von „Uese Drätti“ verabschiedet. Er wird in neuem Gewand, mit zahlreichen Holzschnitten von dem tüchtigen Emil Zbinden versehen, Anfangs nächsten Jahres bei der Büchergilde erscheinen. Das Einzige, was mich dabei interessiert, ist lediglich das Honorar, denn zu meinen frühen Bärndütschbüchern habe ich den Weg verloren und Neues will mir nicht mehr gelingen, woraus übrigens der Literatur kein unheilbarer Schaden entstehen wird. (…)

Loosli an Fränkel am 12. Juli 1954 (A, S. 473)

Fränkel war anderer Meinung:

Mein lieber Loosli, Deinen Drätti im neuen Gewande wiederzusehen war mir eine rechte Freude. Ich beglückwünsche Dich dazu. Es ist doch schön, wenn mans erlebt, daß, was man in jungen Jahren geschaffen, nach Jahrzehnten wiederaufersteht und nicht, wie das Meiste, untergegangen ist. 

Und dieses Buch wird, glaube ich, auch der heutigen Generation Freude bereiten, denn es ist von unverwüstlicher Lebendigkeit. Das konnte ich feststellen, als ich gestern Abend Seite für Seite darin wieder las. Was das Sprachliche betrifft, so wird das Buch für die künftigen Linguisten eine unerschöpfliche Fundgrube sein. (…)

Zbinden hat seine Sache recht gemacht. (…)

Fränkel an Loosli am 4. Februar 1955 (A, S. 477)

 

Drei Textproben:

1

Zur Schule meint Drätti als Erwachsener:

… het’s mi scho mängisch tüecht, mi mangleti i der Schueḷ mängs zlehre, wo eim ke Schueḷmeischter seit, u handchehrum müeße jitzen afe dChing mängs chopfe, wo si nid der Verschtang derzue hei u wo unger tuusige nid eim schpeeter einisch chumlig chunt. Ds Läben isch drum öppis ganz angers weder dSchueḷ. I der Schueḷ wird gäng nume gfragt, «weisch das u weisch äys?» u ds Läbe, das fragt eim nie: «weisch?» es fragt eim: «chasch?» u das isch uf my armi Tüüri de no es zwöits. (B, S. 30)

 

2

Auf dem Weg zum Heuet in der Romandie kehrt Hans ein:

…u du chunnt d Wirti u het nöjis mit mer uf Wäḷtsch parliert, un i ha gsinnet, die frag mi aḷḷwäg, was i weḷḷ, u du sägen i du:

«He, öppe ne Schoppe Roten u nes Schnyfeli Chäs u Brot wär mer gruusam aaschtändig.»

Du luegt si mi du a, wi wen i Hörner hätt u het der Gring gschüttlet. I ha grad gseh, daß si mi nid verschteit u säge:

«Wy!» u ha derzue derglyche ta, wi wen i tät treichen (…) u dernah nimen i my rot Naselumpe füren u han ere dä zeigt u gseit: «settige Wy!»

Won i das Manöver es paar Maḷ ha gemacht gha, isch si du äntlige druber gheit u bringt mer afe ne Schoppe Rote.

 

Damit war Brot und Käse noch nicht bestellt. Nach vielen Handzeichen zu Form und Verarbeitung von Käse sagt die Wirtin:

«Ah wui fromasch, fromasch!» U richtig bringt si mer du e toḷḷe Bitz magere Chäs (…) u dernah bin i wyters u ha mi scho fei e chli gmeint, daß i mit de Wäḷtschen eso guet u schön u mi sövli guet chönn bigryfflig mache. (B, S. 79)

 

3

Noch auf dem Sterbelager verliert Drätti seine Heiterkeit nicht, als der Pfarrer ihn besucht:

(…) het nüt weder Gschpäßli gmacht, u zletscht lachet du der Pfarer gredi usen u seit du zuen im:

«Lueget Schiḷt, das fröit mi, daß der der Humor nid verlüüret; weder dernäbe söttet der ou afe sü[ü]ferli a nöjis angers täjche weder gäng numen a settige Züüg, vo wäge lueget, dir syt doch einewäg en aḷte Ma u ganget e so süüferli em Tod eggäge.»

Du het du Drätti glachet u seit du zuen im: «Nenei, heit nume nid Chummer, Her Pfarer, dem gangen i nid eggäge; - we dä de öppis vo mir wott, so söḷḷ är de zu mir cho.» (B, S. 196)

 

Bibliografie:

A: 

Carl Albert Loosli, Jonas Fränkel

«… dass wir beide borstige Einsiedler sind, die zueinander passen»

Aus dem Briefwechsel, 1905-1958

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Fredi Lerch und Dominik Müller

Unter Mitarbeit von Jael Bollag und Erwin Marti

Zürich 2022 (Chronos Verlag)

 

B:

C.A. Loosli. Üse Drätti. Zürich, Büchergilde Gutenberg (ohne Jahr) [1955] 

pst

Grossvater

Tod

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